Im Treppenaufgang zur Skyline steht eine Frau

Ein Beitrag von Experte Jens Böhnlein Blick nach vorn: 6 Trends der Immobilienbranche

14.05.2024 6 Minuten Lesezeit

Jens Boehnlein ist Global Head of Real Estate Asset Management and Sustainability. Jens steht im dunklen Anzug vor einer Wand.
Jens Böhnlein
Global Head of Assetmanagement and Sustainability bei der Commerz Real

Inhalt

Immobilien prägen und gestalten unsere ganze Welt, und das meistens für viele Jahre. Deshalb ist es vor allem in der Immobilienbranche wichtig, den Markt im Blick zu behalten und Trends von morgen schon früh zu erkennen. So bleiben wir der Zeit voraus und können heute Immobilien so gestalten, dass sie den Ansprüchen und Bedürfnissen von morgen entsprechen.

Dieser Grundsatz leitet uns bei der Commerz Real von Anfang an: Möglichst früh neue Trends identifizieren, neue Standards entwickeln, neue Potenziale erschließen.

An dieser Stelle möchte ich Ihnen sechs wichtige Trends vorstellen, die aus meiner Sicht die Immobilienbranche – vor allem die Gewerbeimmobilienbranche – in den nächsten zwanzig Jahren merklich prägen und mitgestalten werden.

Erster Trend: Gesundheit und Demografie zusammendenken

Unsere Gesellschaft wird älter. Diese Entwicklung sorgt dafür, dass sich auch unser Fokus verlagert: Während ältere Menschen lange Zeit am Rande der Gesellschaft gelebt haben, rücken die Bedürfnisse dieser demografischen Gruppe nun weiter ins Zentrum.¹ Denn dank höherer Lebensqualität und des steigenden Gesundheitsbewusstseins bleiben viele Menschen nun auch deutlich länger fit als noch vor einigen Jahrzehnten.

Und auch der medizinische Sektor wandelt sich: Jüngere Ärzt*innen legen heute einen viel größeren Fokus als früher auf eine gute Work-Life-Balance und flexiblere, häufig teilzeitbasierte Arbeitsmodelle.

Wie lassen sich diese Entwicklungen – der demografische Wandel sowie der wachsende Fokus auf physischer und psychischer Gesundheit – nun in unsere Immobilienstrategie einfügen? Sobald wir Immobilien nicht mehr eindimensional denken, sondern darin gleich mehrere Funktionen verknüpfen, können wir sie deutlich vielseitiger nutzen und an eine viel größere Bandbreite an Bedürfnissen anpassen.

Zum Beispiel, indem wir verschiedene Nutzungsarten wie Einzelhandel und Gesundheit zusammenlegen: So entstehen neue soziale Treffpunkte, die multifunktional sind und so viel effektiver in das direkte Umfeld eingebettet werden können. Oder indem wir in einer Immobilie fachmedizinische Angebote mit weiteren gesundheitsbasierten Dienstleistungen wie Sport, Wellness oder Kosmetik verbinden.

Wie das aussehen kann, zeigt uns das Healthcare-Unternehmen Eterno: In der hausInvest Immobilie in der Frankfurter Innenstadt sind die Eterno Praxisflächen flexibel gestaltet und ähneln eher einem gemeinsamen Coworking-Space.

Dieses Konzept hilft dabei, Arbeitsprozesse zu optimieren, spart Zeit und ermöglicht eine bessere und umfassendere Behandlung für die Patient*innen. Gleichzeitig wirkt auch schon die Gestaltung der offenen Flächen – als Teil der sogenannten Healing Architecture – daran mit, das Wohlbefinden zu steigern und für mehr Entspannung zu sorgen.

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Best Practice Healing Architecure

Gesundheit ganzheitlich gedacht: Das Eterno Konzept ermöglicht Gesundheitsleistungen im neuen Stil und bewährt sich dabei sowohl für Patient:innen als auch Ärzt:innen.

Mehr über das Konzept von Eterno erfahren

Zweiter Trend: Büro und Arbeit zukunftsfähig gestalten

Vor allem die Coronapandemie hat einen großen Anteil daran, dass wir die Art und Weise, wie wir leben und arbeiten, in den letzten Jahren komplett neu gedacht haben. Wo früher ein starrer Büroalltag geherrscht hat, da sind flexible Arbeitsmodelle wie Homeoffice oder Gleitzeit mittlerweile fest etabliert – zumindest in vielen hochdigitalisierten Ländern.

Das hat auf jeden Fall seine Vorteile, vor allem hat sich dadurch die Vereinbarkeit von Privatem und Beruf merklich verbessert. Doch ganz ohne Büro geht es meiner Ansicht nach nicht. Nun ist es die Aufgabe der Unternehmen, die Menschen wieder zurück ins Büro zu locken.

Nicht nach dem Prinzip: Wer nicht kommt, fliegt.² Nein, die Unternehmen müssen den Arbeitnehmer*innen etwas bieten können. Und um das herauszufinden, reichen Pauschalisierungen nach Generation X, Y und Z schon lange nicht mehr aus. Dafür sind unsere Gesellschaft und unsere Lebensentwürfe viel zu komplex geworden.

Ich bin davon überzeugt, dass es die Qualität des Arbeitsplatzes ist, die Unternehmen dabei hilft, qualifizierte Talente für sich zu gewinnen. Deshalb gefällt mir auch der Grundgedanke von Konzepten wie WeWork, eine Community innerhalb des Büros zu etablieren. Doch meiner Meinung nach sollte das, anstatt es auszulagern, immer und in jedem Unternehmen fester Bestandteil der Unternehmenskultur sein.

Es reicht also nicht, eine Bar oder einen Tischkicker im Büro aufzubauen, wenn die eigentlichen Arbeitsbereiche nicht den Anforderungen an eine produktive Arbeitsumgebung genügen. Natürlich kann das alles dabei helfen, neue Mitarbeiter*innen zu werben. Aber um echten Teamgeist entstehen zu lassen und Talente langfristig an das Unternehmen zu binden, muss vor allem die Qualität der Arbeitsumgebung stimmen.

Der Arbeitsplatz muss also ordentlich etwas bieten können und gewissermaßen mindestens so ansprechend sein wie das eigene Zuhause – wenn nicht sogar ansprechender. Dann kommen die Menschen auch ins Büro, weil sie möchten, nicht weil sie müssen.


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Highlights und Warschauer Meilensteine

Hier wird modernes Arbeiten gelebt

So sieht das Büro von morgen aus: Zentral gelegen, smart vernetzt, flexibel gestaltet. Die Widok Towers in Warschau wurden mit dem „Office of the year“-Award ausgezeichnet und setzen einen neuen Standard für die Gestaltung moderner, flexibler Büroflächen.

Widok Towers: Jetzt mehr erfahren

Dritter Trend: Digitalisiert und vernetzt in die Zukunft

Digitalisierung und digitale Vernetzung wird auch aus unserer Branche nicht mehr wegzudenken sein. Und auch wenn wir heute noch gar nicht wissen, was in dem Bereich noch alles auf uns zukommt, sollten wir uns schon jetzt mit diesen Entwicklungen auseinandersetzen und wie sie sich auf unsere Immobilien auswirken können.


Technische Innovationen wie zum Beispiel die kürzlich vorgestellte VR-Brille von Apple machen es meiner Meinung nach nochmal besonders deutlich: Die Art und Weise, wie Menschen und Räume interagieren und miteinander in Beziehung treten und wie auch virtuelle Räume genutzt werden, wird sich in den kommenden Jahren nochmal grundlegend ändern.

Natürlich ist es bis dahin noch ein kleines Stück. Und vor allem ist dann auch die Frage, inwieweit solche digitalen Innovationen auch unsere Produktivität voranbringen werden. Die Zunahme von Homeoffice in der Coronakrise zum Beispiel hat gezeigt, dass zwar an vielen Stellen die Effizienz gestiegen ist, aber nicht unbedingt die Produktivität oder Innovationskraft.³

Die große Herausforderung besteht dann darin, Räume so zu gestalten, dass sie den künftigen Anforderungen einer technologisch fortgeschrittenen und vernetzten Gesellschaft gerecht werden. Digitale Technologien produktiv in unsere Immobilien und unsere Arbeits- und Lebensstrukturen zu integrieren, ist deshalb meiner Meinung nach einer der zentralen Zukunftstrends der Immobilienbranche. 

Vierter Trend: Das Core-Konzept neu denken

Vor allem ein Aspekt entscheidet maßgeblich über den Wert einer Büroimmobilie: ihre Lage. Und das heißt zentral, gut angebunden, mit wichtigen Einrichtungen und Funktionen in direkter Reichweite. Um von Core-Immobilien sprechen zu können, müssen diese Werte auch weiterhin gegeben sein.


Aber wenn bald immer mehr Menschen sich dazu entscheiden, anders zu arbeiten⁴, anders zu leben, anders einzukaufen, dann stehen wir irgendwann vor einem riesigen Problem: Dann sind die Faktoren, die das „Core“ ausmachen, vielleicht bald nicht mehr da. Dann hat sich das urbane Umfeld der Core-Immobilie so verändert, dass das Core-Konzept an sich nicht mehr aufgeht.

Deshalb wird es aus meiner Sicht zukünftig notwendig, Urbanität neu zu konzipieren und als integralen Bestandteil des Städtebaus zu begreifen. Dann erscheint eine einzelne Immobilie nicht mehr als geschlossenes System, sondern als Teil einer urbanen Landschaft, in die sie sich einfügen und für die sie Mehrwert spenden muss.

Dazu gehört dann zum Beispiel auch, technische Infrastrukturen wie etwa Blockheizkraftwerke nicht nur für einzelne Immobilien, sondern für ganze Quartiere zu entwerfen, die dadurch auch als zusammengehörende soziale Einheiten adressiert werden.

Gerade für die Stadtplanung ist das sicherlich eine große, komplexe Herausforderung und bedarf viel Planung und Voraussicht. Aber so gelangen wir langfristig zu einem neuen Verständnis davon, wie Immobilien zusammenwirken können, um eine nachhaltigere und vernetztere Zukunft in urbanen Räumen zu entwerfen. 

Immobilien als vernetztes Ökosystem

Indem wir Immobilien nicht nur als Einzelwerte, sondern als eng vernetztes Ökosystem denken, eröffnet sich eine ganz neue Perspektive auf das Potenzial und die Zukunft von Immobilien.

Henning Koch, CEO der Commerz Real AG, erklärt im Video, worum es beim Ökosystem Immobilien geht:

Fünfter Trend: Krisen – „The New Normal“

Es ist keine schöne Wahrheit, aber Krisen gehören mittlerweile quasi zu unserem Alltag dazu⁶  – und dass sich politische, soziale, wirtschaftliche Unsicherheiten von heute auf morgen wieder auflösen, ist leider mehr Wunschdenken als Realität. Denn unsere Welt ist mittlerweile so vielschichtig und komplex, dass sich solche Unruhen nicht mehr so schnell besänftigen lassen.


Was heißt das nun für die Immobilienbranche? Anstatt auf Strategien und Konzepte zur kurzfristigen Erholung zu setzen und zu hoffen, dass es danach schon wieder besser weitergeht, sollten wir den Fokus auf langfristige Resilienz legen.

Das heißt konkret: Die Ausgangsperspektive muss sich ändern. Baukosten, Zinserhöhungen, Marktschwankungen, Mietausfälle sind nicht mehr nur Eventualitäten, sondern sollten von Anfang an mit eingeplant werden. Dann können wir auch schon frühzeitig Vorkehrungen treffen, um negative Entwicklungen abzufedern.

Gerade in schwierigeren Zeiten heißt es nämlich: Schnelles, proaktives Handeln zahlt sich aus. Die Klimakrise zum Beispiel erfordert die nachhaltige Transformation von Bestandsimmobilien. Und auch in Sachen Energieeffizienz werden die regulatorischen Anforderungen steigen. Auch darauf sollten wir uns heute schon vorbereiten.

Vor solchen Entwicklungen können wir uns als Asset Manager nicht verstecken. Es erwartet ja auch niemand, dass man von jetzt auf gleich alles optimiert hat. Aber sich mit aktuellen Herausforderungen auseinanderzusetzen und entsprechende Entscheidungen zu treffen, ist gerade heute unerlässlich. 

Sechster Trend: Nachhaltigkeit als strategisches Potenzial

Die sogenannte „Manage-to-Core“-Strategie ist bei uns im Asset Management ein ganz zentrales Element bei der Gestaltung unseres Immobilienportfolios. Im Mittelpunkt dieser Strategie steht das Ziel, möglichst hochwertige und attraktive Immobilien zu gestalten, zum Beispiel durch gezielte Repositionierung oder durch die Einführung innovativer Nutzungskonzepte.


Nachhaltigkeit lässt sich dabei gar nicht mehr aus der Strategie herauslösen. Somit wird „Manage-to-Core“ gewissermaßen zu „Manage-to-Green“. Green meint dabei aber mehr als „nur“ Umweltschutz, sondern auch Aspekte wie soziale Verantwortung und gute Unternehmensführung.

Diese und noch viel mehr Nachhaltigkeitsaspekte sind in den ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) zusammengefasst. So lässt sich Nachhaltigkeit als ganzheitliches Phänomen begreifen, bei dem die Nutzung nachhaltiger Materialien genauso wichtig ist wie die Aufenthaltsqualität in der Immobilie oder die dahinterstehende Unternehmensstrategie.

Solche Nachhaltigkeitsaspekte sind schon längst nicht mehr nur von ideologischem, sondern von konkret wirtschaftlichem Wert: Denn ohne nachhaltige Konzepte bleiben wertvolle Mieter*innen aus, die gewisse Nachhaltigkeitsstandards mittlerweile voraussetzen.

Eine funktionale, langfristige „Manage-to-Green“-Strategie baut dabei auf eine partnerschaftliche Beziehung zur Mieterschaft. Dadurch schaffen wir Anreize für nachhaltiges Verhalten und arbeiten gemeinsam mit den Mieter*innen auf einen nachhaltigeren, transparenten und digitalisierten Immobilienbetrieb hin.

Fazit:

Die Zukunft der Immobilienbranche im Blick

Diese Trends werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten unsere Branche noch einmal deutlich prägen und verändern. Wichtig ist dabei meiner Meinung nach Weitsicht und Mut zum Handeln. Dann haben wir vor allem als Asset Manager die Chance, dem Wandel voraus zu sein und erfolgreich daraus hervorzugehen.

Und wenn wir es schaffen, unsere Immobilien frühzeitig vorzubereiten und anzupassen, dann bedeutet das auch Erfolg für unsere Mieter*innen, für die Nutzer*innen unserer Immobilien und schließlich auch für unsere Anleger*innen.

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Jens Böhnlein

Global Head of Real Estate Asset-Management and Sustainability

Jens Böhnlein verfügt über mehr als 15 Jahre Berufserfahrung in der Immobilienbranche. In seiner aktuellen Funktion steuert er die Transformation eines globalen Immobilienbestands im Wert von über 14 Milliarden Euro. Mit seinem 100-köpfigen Team treibt er auch die Digitalisierung sowie ganzheitliche Ansätze bei der nachhaltigen Bewirtschaftung der Assets voran.