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Real Estate ESG Zertifikate im Gebäudesektor | Eine Übersicht

20.02.2024 4 Minuten Lesezeit

Kaum eine Branche ist in Zeiten von steigenden Energie- und Baukosten mehr gefragt ihr Handeln auf den Prüfstand zu stellen. Manifestieren muss und wird sich dieser Wandel an den Immobilien selbst.

Die Anforderungen an Immobilien sind in den letzten Jahren und angesichts der weltweiten Bemühungen um eine ökologisch nachhaltige Wirtschaftsweise nicht unerheblich geworden. Dabei reicht die Optimierung einzelner Komponenten heutzutage nicht mehr aus. Vielmehr verbindet eine nachhaltige Immobilie eine möglichst geringe Umweltbelastung, eine hohe Attraktivität für Investoren und Mieter und Taxonomiekonformität mit einem optimalem Risikomanagement.

Um die Einhaltung dieser Anforderungen zu belegen, bedienen sich viele Assetmanager und Immobilienbesitzer gängiger Zertifizierungen durch unabhängige Anbieter. Doch bei der mittlerweile gewachsenen Auswahl an Anbietern stellt sich mitunter die Frage, welches Zertifikat am aussagestärksten ist? Für die Commerz Real ist unser Global Head of Asset Management and Sustainability Jens Böhnlein Experte in Sachen Zertifikate und kennt ihre Stärken und Schwächen. Er urteilt aus der Sicht des Kenners – schließlich war er bereits als BREEAM- und LEED-Auditor tätig.

Ein klarer Favorit: das DGNB-Zertifikat

Auch wenn es wenig Spannung in der Herleitung bietet, aber unser klarer Favorit in Sachen ESG-Zertifikate stellt das der DGNB dar. Dank eines ganzheitlichen Bewertungsansatzes bieten DGNB zertifizierte Gebäude nicht nur ökologische Vorteile, sondern tragen auch zur Steigerung der Lebensqualität und zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung bei. Aufgrund seiner Komplexität hatte das DGNB Zertifikat jedoch anfänglich mit Schwierigkeiten bei der Durchsetzung und Akzeptanz am Markt zu kämpfen. Zudem stand es bei seiner Einführung in direkter Konkurrenz zu international etablierten Zertifizierungssystemen wie LEED und BREEAM.

Mit seinem ganzheitlichen Ansatz konnte es sich zunächst in Deutschland und später auch in Europa durchsetzen. Dabei hat das Bemühen der DGNB, das System an nationale Besonderheiten und verschiedene Gebäudetypen anzupassen, wie auch seine Anwendbarkeit zu erleichtern, zunehmend Früchte getragen.

EU-Taxonomie: Anpassungsfähigkeit ist gefragt  

Ein entscheidender Vorteil des DGNB-Zertifikats ist dessen Anpassungsfähigkeit an die sich ebenfalls wandelnden EU-Taxonomie-Anforderungen. Der DGNB basiert mit seiner Bewertungsmethodik in weiten Teilen auf den Grundlagen der EU Taxonomie. Somit sorgt die Zertifizierung für Transparenz und Vergleichbarkeit in Bezug auf die Nachhaltigkeitsleistung von Immobilien. Zugleich unterstreicht sie ihre Bedeutung als Instrument zur Förderung nachhaltigen Bauens und Investierens im Einklang mit dem europäischen Regelwerk.

Ein weiterer Pluspunkt, der das DGNB System vom Wettbewerb abhebt: Es kann zur Beantragung von Fördermitteln genutzt werden – auch weil es von der Bundesregierung als Nachweisinstrument für die Erlangung des Qualitätszeichens Nachhaltiges Gebäude (QNG) und des damit verbundenen Bundeszuschusses für energieeffiziente Gebäude (BEG) akzeptiert wird.

Über die Grenzen der EU hinaus

Um ihr Zertifizierungssystem auch über die Grenzen Deutschlands hinaus zu exportieren, hat es die DGNB kontinuierlich an die spezifischen Bedingungen und Anforderungen anderer Länder angepasst: So wurden beispielsweise die lokalen klimatischen, kulturellen und rechtlichen Gegebenheiten berücksichtigt. Darüber hinaus hat die DGNB Partnerschaften mit verschiedenen Ländern aufgebaut und ihre Präsenz in Europa, Asien und anderen Regionen verstärkt.

So gibt es DGNB-Zertifizierungen und Projekte in Ländern wie Dänemark, Österreich, China und Brasilien, um nur einige zu nennen. Die Tatsache, dass viele internationale Bauprojekte das DGNB-Zertifikat erhalten haben oder anstreben, zeigt, dass die internationale Anerkennung wächst.

Die Top 3 im Überblick

DGNB – das allumfassende Bewertungs-Tool

2007 von der Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) in Deutschland ins Leben gerufen, gilt das DGNB-Zertifikat als besonders umfassend und eines der fortschrittlichsten Zertifizierungssysteme für nachhaltige Architektur weltweit. Anders als BREEAM und LEED bewertet es Gebäude und Quartiere in ihrer Gesamtheit und berücksichtigt dabei eine breite Palette von Nachhaltigkeitsaspekten. Die Hauptkategorien sind Ökologie, Ökonomie, soziokulturelle und funktionale Qualität sowie Technik-, Prozess- und Standortqualität.

Innerhalb dieser Kategorien werden verschiedene Kriterien wie Energieeffizienz, Ressourcenschonung, Lebenszykluskosten, Komfort, Gesundheit, Integration in das soziale Umfeld und ökologische Verträglichkeit beurteilt. Je nach Erfüllungsgrad wird die DGNB-Auszeichnung in Bronze, Silber oder Gold vergeben. Für ein besonders herausragendes Nachhaltigkeitsprofil ist auch eine Zertifizierung in Platin möglich.

LEED – global etabliert und begehrt

Die ökologische Nachhaltigkeit von Gebäuden steht auch bei LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) im Vordergrund der Bewertung. Entwickelt vom U.S. Green Building Council (USGBC) in den späten 1990er Jahren, soll LEED Bauherren, Architekten, Entwicklern und Eigentümern helfen, umweltfreundliche und gesundheitsfördernde Gebäude zu realisieren. LEED bewertet – ähnlich wie BREEAM – Gebäude anhand eines Punktesystems in verschiedenen Kategorien, wie z.B. Energieeffizienz, Wassereinsparung, CO2-Emissionen, verbesserte Innenraumqualität, Materialien und Ressourcen sowie Innovation im Design.

Je nach erreichter Punktzahl können Gebäude eine von vier Zertifizierungsstufen erhalten: Certified, Silver, Gold und Platinum. Je höher die Stufe, desto nachhaltiger gilt das Gebäude. LEED hat sich zu einem der weltweit führenden Zertifizierungssysteme entwickelt und wird in über 160 Ländern angewendet. Es dient als Benchmark für die Gestaltung, Konstruktion, Wartung und den Betrieb von nachhaltigen Gebäuden, Wohnungen und Gemeinschaften und gilt als ausgesprochen werbewirksam.

BREEAM – das Pionier-Zertifikat

Mit der „Building Research Establishment Environmental Assessment Method“, kurz BREEAM, wurde 1990 in Großbritannien das erste Zertifikat aus der Taufe gehoben.  Seitdem hat es einen Siegeszug angetreten. Es bewertet Immobilien in verschiedenen Nachhaltigkeitskategorien, darunter Energieeffizienz, Wassernutzung, Gesundheit und Wohlbefinden, Umweltverschmutzung, Transport, Materialien, Abfall, Nutzung und Schutz der Umwelt sowie Managementprozesse.

BREEAM basiert auf einem Punktesystem und vergibt Zertifikate in verschiedenen Stufen: Pass, Good, Very Good, Excellent und Outstanding. Die Bewertung erfolgt durch unabhängige BREEAM-Gutachter, die sicherstellen, dass die Gebäude bestimmte Standards erfüllen oder übertreffen. Allerdings liegt der Fokus auf der ökologischen Nachhaltigkeit, auch wenn seit der Produktaktualisierung im Jahr 2008 soziale Aspekte stärker berücksichtigt werden.