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Erneuerbare Energien Agri-PV: So funktioniert Photovoltaik der Zukunft

29.04.2024 8 Minuten Lesezeit

Inhalt

Bis 2030 sollen Erneuerbare Energien einen Anteil von 80 Prozent am deutschen Strommix erreichen – dieses Ziel wurde zu Jahresbeginn 2023 von Bundesminister Robert Habeck ausgerufen.

Doch der Weg dahin ist noch weit: Eine Verdopplung der Windparks an Land, eine Verdreifachung der Offshore-Windparks und eine Vervierfachung der Solaranlagen sind erforderlich, um dieses Ziel zu erreichen.¹ Und auch die Frage nach den Flächen, die für diesen Ausbau infrage kommen, bleibt bis dato unbeantwortet.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sieht dafür die Nutzung geeigneter Dachflächen sowie gewerblicher und privater Neubauten vor. Doch allein damit kann dieses hochgesteckte Ziel wahrscheinlich nicht erreicht werden. Hier kommen zwei innovative Ansätze ins Spiel, die Landwirtschaft und Stromproduktion miteinander in Einklang bringen können: Agri-PV und Floating PV. Das Konzept der Agri-Photovoltaik schauen wir uns an dieser Stelle näher an.

 

Agri-PV: Landwirtschaft und Solarkraft in Symbiose

Das Agri-PV-Konzept wird maßgeblich vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE vorangetrieben. Es basiert auf der Idee, eine doppelte Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen zu ermöglichen – zum einen für die Nahrungsmittelproduktion, zum anderen für die Energiegewinnung durch Solarpanels.

Das Konzept ermöglicht viel Flexibilität, um sich an verschiedene landwirtschaftliche Nutzungsbedingungen und Pflanzenarten anzupassen. Dabei kann es sogar den Pflanzenanbau in heißen Regionen optimieren, indem die Panels oberhalb der Pflanzen angebracht werden und sie so vor zu starker Sonneneinstrahlung schützen. Zusätzlich kann extrahiertes Kondenswasser für die Bewässerung genutzt werden.

Auch in kühleren Regionen erfüllt Agri-PV zusätzliche landwirtschaftliche Funktionen: Hier können die Panele als Schutz vor Hagel, Frost oder Unwetter dienen.

Noch ist das Agri-PV-Konzept wenig verbreitet, doch Zahlen des Fraunhofer-Instituts zeigen, dass die Nachfrage exponentiell steigt: Die weltweite Leistung von Agri-PV-Anlagen hat sich in nur acht Jahren von 5 MWp (2012) auf über 14.000 MWp – oder 14 GWp – (2020) exponentiell erhöht. Das technische Potenzial für Deutschland allein beträgt dabei 1,7 TWp – also das 120-fache der Leistung, die aktuell weltweit installiert ist.

Die Entwicklung des Agri-PV-Marktes wird maßgeblich durch technologische Innovationen vorangetrieben. Speziell entwickelte Solarmodule, die genügend Licht für die Photosynthese der darunter angebauten Pflanzen durchlassen, sind nur ein Beispiel dafür, wie technologische Fortschritte die Produktivität beider Bereiche – Energie und Landwirtschaft – optimieren können.

Diese technologischen Entwicklungen ermöglichen es, die Energieausbeute zu maximieren, während gleichzeitig die landwirtschaftliche Nutzfläche erhalten bleibt und sogar in ihrer Effizienz gesteigert werden kann.

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Agrikultur und Photvoltaik

Agri-PV als Anlagechance: Nachhaltigkeit trifft Investment

Für Anleger:innen, die nach zukunftsträchtigen und gleichzeitig nachhaltigen Investitionsmöglichkeiten suchen, bietet Agri-PV eine attraktive Option. Die Integration von Agri-PV in das Anlageportfolio bietet nicht nur die Möglichkeit, an der steigenden Nachfrage nach erneuerbaren Energien partizipieren, sondern auch zur Diversifikation und Risikominimierung beizutragen.

Agri-PV-Projekte stehen für stabile, zukunftsträchtige Sachwerte, die weniger anfällig für Schwankungen in den traditionellen Energiemärkten sind und kontinuierliche Erträge versprechen. Diese Erträge bedeuten auch für die Landwirte einen bedeutsamen Vorteil und ermöglichen ihnen eine gewisse Planungssicherheit, sodass langfristig geringere Kompensationsforderungen anfallen.

Anwendungsbeispiel: klimaVest betritt mit Agri-PV-Projekt Neuland

Die Commerz Real Gruppe setzt mit seinem Erneuerbare-Energien-Fonds klimaVest einen bedeutenden Schritt in den Agri-Photovoltaik Markt und markiert damit einen Meilenstein in der Verbindung von erneuerbarer Energie und nachhaltiger Landwirtschaft. Das erste Agri-PV-Projekt, gelegen in der Nähe von Berlin, ist für eine Inbetriebnahme im Jahr 2025 vorgesehen. Es zielt darauf ab, mit einer Nennleistung von rund 50 Megawatt, rechnerisch den Jahresbedarf von etwa 19.000 Haushalten mit Ökostrom zu versorgen.

Dieses Pionierprojekt ist in Kooperation mit Elysium Solar entwickelt – einem Joint Venture der Beratungsfirmen EIC Partners aus Zürich und LBD-Beratungsgesellschaft aus Berlin. Erstmals ermöglicht es privaten Investoren Zugang zu einem großflächigen Agri-PV-Projekt in Deutschland.

Bei dem von der Commerz Real Gruppe und Elysium Solar initiierten Projekt werden die Solarmodule so konzipiert, dass sie sich automatisiert nach dem Sonnenverlauf ausrichten, wodurch eine effiziente Bewirtschaftung mit Landmaschinen in den Zwischenräumen möglich ist. Geeignet für den Anbau sind beispielsweise Spargel oder Beeren durch regionale Landwirtschaftsbetriebe.

Mit dieser Kooperation übernimmt die Commerz Real Gruppe eine Vorreiterrolle in Deutschland, indem großflächige Agri-Photovoltaik-Projekte an den Kapitalmarkt gebracht werden. Das Agri-PV-Projekt ist nur der Anfang einer Reihe geplanter Parks, die die Landschaft der erneuerbaren Energien in Deutschland nachhaltig prägen werden.

Die Vorteile von Agri-PV

Vorteile von Agri-PV für die Landwirtschaft 

  • Schutz der Pflanzen vor extremen Wetterbedingungen: Agri-PV-Anlagen bieten einen wertvollen Schutz für darunterliegende Kulturen vor Hagel, Starkregen und intensiver Sonneneinstrahlung, was zu einer stabileren und sichereren Ernte führt.
  • Reduzierung des Wasserverbrauchs: Die partielle Beschattung durch die Solarmodule führt zu einer verringerten Verdunstung, was den Wasserbedarf für die Bewässerung signifikant reduziert – ein entscheidender Vorteil besonders in trockenen Regionen.
  • Verbesserung des Mikroklimas: Die Präsenz von Solarmodulen kann zu einem ausgeglicheneren Mikroklima über den Anbauflächen führen. Dies hilft, die Bodenfeuchtigkeit zu bewahren und fördert ein gesundes Pflanzenwachstum.

 

Vorteile von Agri-PV für die Energieproduktion

  • Effiziente Flächennutzung: Durch die doppelte Nutzung von Landflächen ermöglicht Agri-PV eine effiziente und nachhaltige Energiegewinnung, besonders wertvoll in Gebieten, wo verfügbares Land knapp ist.
  • Beitrag zur Energiewende: Die Gewinnung von Solarenergie auf Agrarflächen unterstützt die Reduzierung von CO2-Emissionen und trägt somit aktiv zur Erreichung von Klimazielen bei.
  • Wirtschaftliche Synergien: Landwirt:innen profitieren von einer zusätzlichen Einnahmequelle durch den Verkauf des erzeugten Stroms oder dessen direkte Nutzung, was zu einer Reduzierung der Betriebskosten führen kann.

 

„Die Kombination von fortschrittlicher Solartechnologie und bewährten landwirtschaftlichen Praktiken in Agri-PV-Projekten bietet eine einzigartige Gelegenheit, sowohl in die Energiewende als auch in die Zukunft der Landwirtschaft zu investieren.

Diese Projekte stehen nicht nur für eine innovative Nutzung von Flächen, sondern auch für eine nachhaltige Investition, die ökologische, soziale und ökonomische Renditen generiert.“

Vorteile von Agri-PV für Investor:innen

  • Stabile und planbare Renditen: Investitionen in Agri-PV-Projekte bieten eine attraktive Renditeperspektive, die durch langfristige Pachtverträge mit Landwirten und stabile Einnahmen aus dem Verkauf von Solarstrom gekennzeichnet ist. Dies sorgt für eine planbare und risikoarme Kapitalanlage, die besonders in unsicheren Marktphasen von Vorteil ist.
  • Beitrag zu nachhaltigen Investitionen: Agri-PV vereint ökologische Nachhaltigkeit mit wirtschaftlicher Effizienz und ermöglicht Anleger:innen, aktiv zur Energiewende und zum Umweltschutz beizutragen. Solche grünen Investitionen entsprechen zunehmend den Anforderungen von Stakeholdern und Verbraucher:innen nach verantwortungsbewussten Anlagemöglichkeiten.
  • Zugang zu Fördermitteln und steuerlichen Vorteilen: Viele Länder bieten spezifische Anreize, Förderprogramme und steuerliche Erleichterungen für Investitionen in Erneuerbare Energien, einschließlich Agri-PV. Ein Beispiel dafür ist das Förderprogramm im Rahmen des Hessischen Energiegesetzes.² Solche Initiativen können die Investitionskosten senken und die finanzielle Attraktivität der Projekte weiter erhöhen.
  • Diversifikation des Investmentportfolios: Agri-PV-Projekte bieten eine hervorragende Möglichkeit zur Diversifikation für Investoren, indem sie eine zusätzliche Anlageklasse in ihr Portfolio aufnehmen, die unabhängig von den traditionellen Finanzmärkten agiert. Die spezifische Risiko-Rendite-Struktur von Agri-PV, gekoppelt mit ihrer geringen Korrelation zu herkömmlichen Anlageformen wie Aktien und Anleihen, kann das Gesamtrisiko des Portfolios reduzieren und zur Stabilisierung der Erträge beitragen.

Neben der grundsätzlichen Diversifikation, die Agri-PV-Projekte für Investitionsportfolios bieten, ermöglichen sie auch eine spezifische Diversifikation innerhalb der Anlageklasse der erneuerbaren Energien. Im Vergleich zu traditionellen Solar- oder Windenergieprojekten bringen Agri-PV-Anlagen eine einzigartige Kombination aus landwirtschaftlicher Produktion und Energiegewinnung mit sich. Diese Dualität eröffnet neue Dimensionen in Bezug auf Risikomanagement und Ertragspotenzial.

Indem Anleger:innen in Agri-PV investieren, können sie ihr Engagement in Erneuerbaren Energien diversifizieren und sich gegen sektorspezifische Risiken absichern, wie etwa regulatorische Änderungen, technologische Entwicklungen oder schwankende Energiepreise.

 

Fazit: Die transformative Kraft von Agri-PV für Energieversorgung und Agrarsektor

Agri-Photovoltaik verkörpert eine transformative Kraft an der Schnittstelle von erneuerbarer Energie und Landwirtschaft, die das Potential hat, die Zukunft beider Sektoren nachhaltig zu gestalten. Durch gesetzliche Anreize und langfristig sinkende Installationskosten ist zu erwarten, dass sich innovative Konzepte wie Agri-PV (aber auch Floating-PV) in den kommenden Jahren weiter etablieren werden.

Dank ihrer Vielseitigkeit bieten sie nicht nur für Energieversorger, sondern auch für Landwirt:innen und andere Wirtschaftsakteur:innen eine optimale Möglichkeit, um das wirtschaftliche Potenzial von einfach genutzten Flächen zu erhöhen und gleichzeitig zu einem nachhaltigeren Strommix beizutragen.

Agri-PV demonstriert, wie innovative Technologien genutzt werden können, um die Gesundheit der Pflanzen zu unterstützen, die Landwirtschaft vor extremen Wetterbedingungen zu schützen und Landressourcen effizient zu nutzen – alles zum Vorteil von Gesellschaft und Umwelt.

Bei der Commerz Real Gruppe schenken wir der Entwicklung solcher Innovationen viel Aufmerksamkeit, um so vielversprechende Chancen früh genug zu identifizieren und für uns und unsere Anleger:innen nutzbar zu machen. Die exponentielle Verbreitung solcher Technologien stimmt uns in jedem Fall optimistisch – und zeigt, wie zukünftige Methoden der nachhaltigeren Energieproduktion aussehen können.

 

„Wir verfolgen die Entwicklungen im Energiesektor sehr genau und schauen uns stetig nach neuen Investmentmöglichkeiten um. Agri- und Floating PV sind zweifelsfrei Vorstöße in die richtige Richtung.

Bis diese Technologien sich aber endgültig bewährt und ihre Rentabilität bewiesen haben, beobachten wir erst einmal weiter, um im richtigen Moment eine möglichst sichere Investition zu tätigen.“
 
Jens Gemmecke
Head of Infrastructure Transactions

¹ Enkhardt, S. (2022, 9. März). McKinsey Energiewendeindex: 200 Gigawatt Bedarfslücke bis 2030 droht – Ausbau von Photovoltaik vervierfachen. Pv Magazine Deutschland https://www.pv-magazine.de/2022/03/09/mckinsey-energiewendeindex-200-gigawatt-bedarfsluecke-bis-2030-droht-ausbau-von-photovoltaik-vervierfachen/
² Förderdatenbank (o. D.). Förderprogramme - Energetische Förderung im Rahmen des Hessischen Energiegesetzes. Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. https://www.foerderdatenbank.de/FDB/Content/DE/Foerderprogramm/Land/Hessen/energetische-foerderung-im-rahmen-des-hessischen.html


Häufige Fragen zu Agri-PV

Was ist eine Agri PV-Anlage?

Agri-PV-Anlagen kombinieren Landwirtschaft mit der Erzeugung von Solarenergie. Sie ermöglichen die gleichzeitige Nutzung von Flächen für die Agrarproduktion und die Gewinnung von Solarstrom, indem Photovoltaik-Module über landwirtschaftlichen Flächen installiert werden.

Was spricht gegen Agri-PV?

Kritikpunkte an Agri-PV umfassen Bedenken hinsichtlich potenzieller Schattenwirkungen auf die darunterliegenden Kulturen, Einschränkungen für die landwirtschaftliche Nutzung und die Frage der Wirtschaftlichkeit. Zudem gibt es Vorbehalte bezüglich des Landschaftsbildes und der Biodiversität. 

Sind Agri-PV-Anlagen privilegiert?

In Deutschland können Agri-PV-Anlagen unter bestimmten Voraussetzungen als privilegierte Bauvorhaben gelten. Dies erleichtert die Genehmigungsverfahren, insbesondere im Außenbereich, wenn sie der landwirtschaftlichen Produktion dienen.

Welche Formen von Agri-PV gibt es?

Unter anderem gibt es horizontale Systeme (über Ackerflächen schwebend und gleichzeitig genügend Licht für das Pflanzenwachstum durchlassend), vertikale Installationen an Rändern oder zwischen Kulturen und Gewächshaus-Anlagen, bei denen Solarmodule als Dach dienen und gleichzeitig Licht für die Pflanzen darunter filtern.

Welche Kulturen eignen sich für Agri-PV?

Agri-PV passt grundsätzlich zu allen Pflanzenarten, bietet aber vor allem Vorteile für Schatten liebende Pflanzen wie Beeren und Obst. Diese profitieren zusätzlich vom Ersatz mechanischer Schutzmaßnahmen durch PV-Module:

  • Kirschen: Ein Versuch zeigte, dass Kirschen unter PV-Modulen mit weniger Fungiziden auskamen, dank geringerer Feuchtigkeit im Vergleich zu traditionellen Netzen.
  • Kartoffeln: Dank ihrer hohen Photosyntheserate eignen sich Kartoffeln besonders gut für die Kombination mit Agri-PV.
  • Obst- und Beerenkulturen: Solche Pflanzen, die häufig mechanischen Schutz benötigen, profitieren ebenfalls von der Integration in PV-Anlagen.

Der Erfolg solcher Projekte hängt allerdings von verschiedenen Bedingungen ab, darunter das lokale Klima, die Saison, die Pflanzensorte und das Design des PV-Systems.