Es werden in einer Collage unterschiedliche Baumaterialien dargestellt.

Institutionals Das Geheimnis für eine erfolgreiche Transformation liegt im Bestand

06.12.2023 8 Minuten Lesezeit

Die Immobilienbranche steht vor gewaltigen Herausforderungen angesichts der erforderlichen Transformation. Das betrifft die Themen Nachhaltigkeit und Energieeffizienz, aber auch veränderte Nutzungskonzepte und höhere Qualitätsanforderungen, zum Beispiel durch die Erfordernisse des „New Work“. Im Neubau können und müssen die notwendigen Veränderungen bereits umgesetzt werden. Doch Neubau allein kann nicht die Lösung sein. Der weitaus größere Hebel liegt in der Ertüchtigung des Bestands.

21,5 Millionen Gebäude

Es gibt in Deutschland annährend 21,5 Millionen Gebäude. Diese innerhalb kürzester Zeit abzureißen und durch Neubau zu ersetzen, wäre erstens unrealistisch, zweitens in den meisten Fällen nicht wünschenswert und drittens auch ökologisch beziehungsweise klimapolitisch kontraproduktiv. Unrealistisch, weil es weder die Baukapazitäten dafür gibt noch das zu mobilisierende Kapital. Nicht wünschenswert, weil es sich oftmals um erhaltenswerte Gebäude im Kontext historisch gewachsener Quartiere mit kulturellem Wert handelt. Und ökologisch kontraproduktiv, weil durch Abriss und Neubau so viel CO₂ freigesetzt wird, dass es Jahrzehnte dauert, bis diese Emissionen durch den energieeffizienteren Betrieb amortisiert sind – zum Teil länger als die Lebensdauer des Gebäudes.

 

Die Bundesstiftung Baukultur schätzt, dass der Gebäudebestand in Deutschland im Jahr 2035 lediglich zu 8 % aus Neubauten (ab Baujahr 2022) bestehen wird. Von den 92 % Altbestand werden etwa 30 % als besonders erhaltenswerte Bauten eingeschätzt, 3 % als Denkmale.

Somit kann die Transformation des Gebäudebestands nur gelingen, indem der Bestand an neue Erfordernisse angepasst wird und somit zukunftsfähig gemacht wird. Denn nur wenn jetzige und künftige Bedürfnisse berücksichtigt werden, können Klimaresilienz und eine langfristige Nutzung mit Rentabilität und Wirtschaftlichkeit einhergehen. Jedes Gebäude ist ein Unikat, deshalb sind die notwendigen Maßnahmen von Objekt zu Objekt unterschiedlich. Energetische Sanierungen sind aber fast immer Teil eines Maßnahmenpakets. Neben Modernisierungen sind auch das Anbauen oder Aufstocken mögliche Ansätze.

Bestand weiterentwickeln heißt, historisch gewachsene Quartiere zu bewahren

Umbauprojekte müssen Geschichte und Charakter einer Immobilie wahren und dem Stadtquartier einen Mehrwert bieten. Denn dabei geht es oftmals auch um den Erhalt kultureller Werte. Jens Böhnlein, Global Head of Asset-Management and Sustainability bei Commerz Real, erklärt die Herausforderung so: „Die DNA des Vorhandenen zu integrieren und mit einer neuen Vision anzureichern. Ein Verständnis für die Umgebung zu entwickeln, eine integrative Planung umzusetzen sowie eine langfristige Ausrichtung des Produkts und Akzeptanz in der Bürgerschaft sind wesentliche Erfolgsfaktoren für den Umbau.“ Dabei habe man die Chance, „das Bestehende neu zu denken und in Konzepte zu überführen, die wieder für viele Jahrzehnte Bestand haben können“. Seine Branche sieht Böhnlein dabei in der Pflicht: „Wer wenn nicht wir als Asset-Manager müssen jetzt anfangen, intelligente Umbaukonzepte umzusetzen und langfristig mit dem Bestand zu planen.“

„Statt abzureißen und neu zu bauen, gilt es vornehmlich Bestandsgebäude zu ertüchtigen und weiterzuentwickeln“, bestätigt Sarah Dungs, Vorstandsvorsitzende des Verbands Bauen im Bestand. Das reduziere CO₂-Emissionen genau dort, wo sie entstehen. Allerdings gibt sie auch zu bedenken: „Das Problem ist bekannt, und doch sorgen nicht zuletzt unsere Denkweise und Entscheidungsprämissen sowie geltende Gesetze und Verordnungen dafür, dass Abriss und Neubau oft profitabler erscheinen als Bauen im Bestand.“

Die Zahlen sprechen für den Bestandserhalt

Die Faktenlage ist bekannt: Der Gebäudesektor ist für etwa 40 % der direkten und indirekten globalen CO₂-Emissionen verantwortlich, sondern bindet auch ein Drittel aller Ressourcen, die meisten davon bei der Errichtung, und erzeugt mehr als die Hälfte des Müllaufkommens aus Bau- und Abbruchmaterialien. Allein in Deutschland werden täglich 54 Hektar Grünfläche durch neue Gebäude und Verkehrsflächen versiegelt. Das alles spricht im Sinne einer Kreislaufwirtschaft für den Erhalt und die Weiter- beziehungsweise Wiedernutzung von Bestandsimmobilien.

Gleichzeitig sehen fast alle Investoren inzwischen in der Gefahr von Stranded Assets – also aufgrund von Nachhaltigkeits- oder anderen Qualitätsmerkmalen unverkäufliche und nicht refinanzierbare Objekte – einen wesentlichen Treiber für Portfolioumschichtungen. Gleichzeitig liegt in dieser großen Herausforderung – nämlich einer behutsamen Modernisierung beziehungsweise Revitalisierung von in die Jahre gekommenen Bestandsobjekten mit Potenzial und unter Berücksichtigung ihres materiellen und immateriellen Wertes – auch eine große Chance für Investoren. Ganz gleich, ob sie unter dem Namen „Manage-to-Core“, „Value Add“ oder „Manage-to-Green“ firmiert.

Drei Praxisbeispiele zeigen mögliche Optionen

Drei konkrete Fallbeispiele aus dem Portfolio der Commerz-Real-Fonds zeigen beispielhaft, was darunter zu verstehen ist.

Außenansicht: Es wird die Fassade der hausInvest Immobilie 2Amsterdam in Amsterdam abgebildet


2Amsterdam, Amsterdam

  • Ausgangslage: Büroimmobilie von 1989 im Geschäftsviertel „Zuidas“ von Amsterdam
  • Herausforderung: Modernisierungsbedarf hinsichtlich ESG, New Work und Design sowie Neupositionierung als Multi-Use-Konzept
  • Ergebnis: Die alte Struktur wurde erhalten, aufgestockt und in einen Neubau integriert, teilweise Umwandlung in ein Hotel mit Skybar, die einen Panoramablick über Amsterdam bietet und zum Quartierstreffpunkt wurde.

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Schäfergasse, Frankfurt am Main

  • Ausgangslage: leer stehendes Bürogebäude von 1984 in der Frankfurter Innenstadt
  • Herausforderung: dringender Sanierungsbedarf aufgrund des Alters und der Energieeffizienz mit Umwandlung eines mittelmäßigen Bürogebäudes in dringend benötigten sozialen Wohnraum
  • Ziel: Die Schaffung von sozialverträglichem und taxonomiekonformem Wohnraum in Kooperation mit der Stadt Frankfurt und dem Caritasverband als Mieter, hinzu kommt ein offenes Begegnungs-Café zur Belebung des Quartiers.

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Tucherpark, München

  • Ausgangslage: ab 1967 entstandenes Gebäude-Ensemble mit Büros, Hotel, Wohnungen, Data-Center und Sportanlagen in grüner und zentraler, aber gleichzeitig etwas abgelegener Lage
  • Herausforderung: Durch Quartiersentwicklung den Tucherpark „zu neuem Leben“ erwecken, unter Wahrung des Ensemble-Charakters, Rücksichtnahme auf Einzeldenkmäler und stimmiger Ergänzung durch Neubauten.
  • Ziel: Schaffung eines innovativen Stadtquartiers mit Platz für Leben, Arbeiten und Wohnen mit neuer ÖPNV-Anbindung, Erhalt von 14 Hektar Grünfläche

Bestandssanierung sollte auch finanziell gewürdigt werden

„Der Bestand hat einen Wert und wir müssen als Gesellschaft und Asset-Manager darüber nachdenken, wie wir insgesamt unseren Fußabdruck reduzieren können“, fasst Jens Böhnlein zusammen. Ein bewusster Umgang mit dem Vorhandenen könne hierbei einen großen Beitrag leisten. Damit die Transformation im Bestand weiter Fahrt aufnimmt, müsse die vorhandene Substanz jedoch anders finanziell gewürdigt werden. Sein Vorschlag: „Die Emissionen wurden zwar schon emittiert, aber durch die Vermeidung von Abbruch entsteht eine deutlich positivere Bilanz, die man durch eine CO₂-Gutschrift ausgleichen könnte.“

Unser Standpunkt:

„Die Transformation des Gebäudesektors kann nicht gelingen, ohne dass wir uns intensiv um den Bestand kümmern. Das ist eine große Herausforderung – aber auch eine große Chance. Denn wer mit Kreativität und ohne Scheuklappen vermeintlich unvermarktbare Bestandsobjekte betrachtet, erkennt dahinter vielleicht ein visionäres neues Nutzungskonzept. Stranded Assets sind in den meisten Fällen vermeidbar. Das sollte auch finanziell stärker gewürdigt werden.“
Jens Boehnlein ist Global Head of Real Estate Asset Management and Sustainability. Jens steht im dunklen Anzug vor einer Wand.
Jens Böhnlein
Global Head of Assetmanagement and Sustainability bei der Commerz Real

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