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Gastbeitrag aus Magazin AnlegerPlus Die „Erneuerbare Infrastruktur" wird vielfältiger

12.05.2025 5 Minuten Lesezeit

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Dr. Nicole Arnold
Vorständin Commerz Real

Die Energiewende umfasst weit mehr als den reinen Ausbau von Erzeugungs-Kapazitäten. Der technische Fortschritt eröffnet neue, stärker diversifizierte Möglichkeiten für Kapitalanleger.

Die Energiewende schreitet voran: Mehr als die Hälfte des deutschen Stroms stammt inzwischen aus erneuerbaren Quellen wie Windkraft und Photovoltaik – ein Rekord. Allerdings steigt mit der zunehmenden Elektrifizierung von Mobilität und Wärme und der Digitalisierung weiterer Wirtschaftszweige der Bedarf an grünem Strom. Gleichzeitig stoßen bestehende Infrastrukturen an ihre Grenzen – Netzkapazitäten reichen oft nicht aus, geeignete Standorte werden rar, und die Versorgungssicherheit muss ohne fossile Reserven gewährleistet werden.

Mit dem Finanzpaket haben die voraussichtlichen Koalitionspartner Union und SPD die Weichen gestellt, dass Gelder für zusätzliche Vorhaben in Deutschlands Infrastruktur fließen. 500 Milliarden Euro für die Sanierung und den Ausbau der Infrastruktur sind selbst für eine der größten Volkswirtschaften der Welt viel Geld und bedeuten eine hohe Neuverschuldung. Politisch möchte ich das gar nicht bewerten. Die Bereitschaft der künftigen Koalition, umfangreiche Investitionen in die bislang vernachlässigte Infrastruktur zu tätigen, sendet ein klares und positives Signal. Dies wird bereits in Gang gekommene Entwicklungen langfristig stärken. Der „Renewable Energy Country Attractiveness Index (RECAI)“ der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY) zeigt, dass Deutschland bereits jetzt zu den drei attraktivsten Standorten für Investitionen in erneuerbare Energien zählt – hinter den USA und China.

Der Impuls kommt zum richtigen Zeitpunkt: Denn mit den bisherigen Mitteln stößt die Energiewende an Grenzen, die strukturelle Ursachen haben: So sind die Netzkapazitäten vielerorts nicht in ausreichendem Umfang vorhanden. Die Grundlastfähigkeit und damit die Zuverlässigkeit der Stromversorgung aus Erneuerbaren müssen verbessert werden, damit auch dann Energie zur Verfügung steht, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Standorte für neue Onshore- Windenergieanlagen sind knapp und auf lokaler Ebene politisch umkämpft. Und zu guter Letzt sind viele energieintensive Industrien – von der Stahlproduktion bis zur Luft- und Schifffahrt – auf Wasserstoff als Alternative zu fossilen Ressourcen wie vor allem Erdgas angewiesen. Bei der Überwindung der geschilderten Engpässe werden in den kommenden Jahren mehrere Themen an Bedeutung gewinnen.

Regenerative Erzeugungsarten bündeln

Nicht nur überregionale Hochspannungsleitungen stellen Engpässe im Stromnetz dar – auch lokale Netzanschlüsse im unteren und mittleren Spannungsbereich sind zunehmend belastet. Umso wichtiger ist es, die bestehenden Anschlüsse möglichst effizient zu nutzen. Gleichzeitig unterliegen Wind- und Solarkraft wetter- sowie tages- und jahreszeitabhängigen Schwankungen. Das führt dazu, dass Netzanschlüsse zu Spitzenzeiten überlastet, zu anderen Zeiten aber kaum genutzt werden.

Immobilien und die Erneuerbare-Energie-
Erzeugung rücken stärker zusammen

Ein weiterer Grund ergibt sich aus der Dezentralität: Stromnetze verteilen nicht mehr wie früher den an zentraler Stelle erzeugten Strom und geben ihn an die Verbraucher. Die Netze müssen immer stärker auch dezentral erzeugte Elektrizität am Anschlusspunkt „aufnehmen“ – zum Beispiel, wenn Häuser mit Photovoltaikanlagen ausgestattet
sind und den Strom ins Netz einspeisen. Das hat übrigens zur Folge, dass auch Immobilien und die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern immer stärker zusammenrücken. Eine Lösung besteht darin, verschiedene Erzeugungsarten wie Windkraft und Photovoltaik an einem Netzanschlusspunkt zu bündeln – ein Ansatz,
der als Hybridisierung bezeichnet wird und die Netzauslastung gleichmäßiger gestaltet.

Hybridisierung ermöglicht optimale Nutzung der Netzkapazitäten

Neben der Hybridisierung stellt der Ausbau der Batteriespeicherkapazitäten eine weitere Bedingung dar, um verfügbare Netzkapazitäten optimal auszunutzen und aus der Stromproduktion höhere höhere Erträge zu erzielen. Auch hier ist der technische Fortschritt mittlerweile so weit gediehen, dass ihr Einsatz vielerorts wirtschaftlich sinnvoll wird. So sind beispielsweise die Preise für Lithium-Ionen-Akkus zwischen 2013 und 2023 um rund 80 Prozent gesunken. Ein weiterer Vorteil von Batteriespeichern ist zudem der geringe Eingriff in Natur und Landschaft und somit eine höhere Akzeptanz in weiten Teilen der Bevölkerung. Stichwort technischer Fortschritt: Viele Onshore- Windenergieanlagen der ersten Generation erreichen in den 2020er-Jahren das Ende ihres Lebenszyklus von etwa 20 Jahren – vor allem diejenigen, die zu Beginn des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ab 2000 an attraktiven Standorten errichtet wurden. Deshalb schlägt jetzt die Stunde des Repowerings, also des Ersetzens durch neuere Anlagen, die im Durchschnitt etwa dreimal so leistungsfähig wie die Altanlagen sind.

Die Assetklasse „Erneuerbare Infrastruktur“ wird vielfältiger

Die Energiewende geht weit über den Ausbau von Erzeugungskapazitäten hinaus. Die zunehmende Vielfalt, Ausdifferenzierung und Weiterentwicklung der Assetklasse „Erneuerbare Infrastruktur“ eröffnet Investoren neue, attraktive Möglichkeiten und erlaubt eine breitere Streuung innerhalb dieses Anlagesegments.


Hinweis

Der Artikel „Die ,Erneuerbare Infrastruktur´wird vielfältiger" von Dr. Nicole Arnold erschien in Form eines Gastbeitrages zuerst im Magazin AnlegerPlus