Renewables Solar, Wind und Speicher: im Hybrid produktiver
08.04.2024 • 8 Minuten Lesezeit
Hybridisierung – ein wachsender Trend
Die Kapazitäten zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien haben in den letzten Jahren sowohl in Deutschland als auch in Europa erheblich zugenommen und sollen weiter wachsen. Allerdings stoßen wir derzeit auf Engpässe bei den Übertragungsnetzen. Dies betrifft nicht nur die großen “Stromautobahnen”, also die Hochspannungsübertragungsnetze über weite Strecken, sondern auch die lokalen Netzanschlüsse, über die der Strom von Photovoltaik- oder Windenergieanlagen in die öffentlichen Netze eingespeist wird.
Ein Teil der Kapazität dieser Netzanschlüsse bleibt jedoch aufgrund von Witterung und Tageszeit oft ungenutzt. Hier kommt die Hybridisierung ins Spiel – eine Strategie, bei der unterschiedliche Erzeugungsarten und Speicherkapazitäten kombiniert werden. Durch die verschiedenen Erzeugungsprofile kann ein bestehender Netzanschluss besser und effizienter genutzt werden. Bei der Hybridisierung bestehender Anlagen können sogar neue Erzeugungskapazitäten geschaffen werden, ohne dass das örtliche Verteilnetz oder das Übertragungsnetz ausgebaut werden muss.
Die Hybridisierung ist zu einem Trendthema bei der Energiewende geworden und wird weiter an Bedeutung gewinnen, solange die Netzanbindung und der Netzausbau Engpässe darstellen. Für Investoren eröffnen sich dadurch interessante Chancen. Es geht darum, die vorhandenen Ressourcen optimal zu nutzen und gleichzeitig die Energieversorgung nachhaltig und effizient zu gestalten.
Hybridisierung
Hierbei werden bestehende Netzanschlüsse von erneuerbaren Energieanlagen mehrfach genutzt, um zusätzlichen Strom einzuspeisen. Kosten für den Netzanschluss lassen sich dadurch durchschnittlich senken, der Anschluss wird effizienter genutzt und es kann mehr Strom bereitgestellt werden. Der Netzausbau wird in geringerem Maße benötigt und dieser Engpass für die Energiewende einfach gelöst. Durch kombinierte Netzzugänge können grüne Energiequellen schneller integriert werden.
Vorteile für Energiepolitik und Betreiber
Die Hybridisierung von Windenergie mit Photovoltaik ist eine vielversprechende Strategie zur Verbesserung der Energieerzeugung. Allerdings reicht sie allein nicht aus, um eine stabile Grundlast zu garantieren, insbesondere im kleineren Maßstab einzelner Anlagen. Es gibt immer Zeiten, in denen weder die Sonne scheint noch der Wind weht – die sogenannte Dunkelflaute. Bei der Hybridisierung ist es entscheidend, die Volllaststunden der Gesamtanlage zu maximieren und den vorhandenen Netzanschluss optimal zu nutzen. Die Bereitstellung einer Grundlast durch erneuerbare Energien erfordert eine starke paneuropäische Netzinfrastruktur und Stromspeicherkapazitäten. Dennoch trägt die Hybridisierung dazu bei, die bestehende Netzinfrastruktur besser auszulasten und eine gleichmäßigere lokale Einspeisung zu ermöglichen.
Regionale Unterschiede und Standortwahl
Idealerweise sollten die Erzeugungsprofile der jeweiligen Technologien so miteinander kombiniert werden, dass sie sich möglichst wenig überlappen und nicht gleichzeitig maximale Leistung erbringen. Dies erfordert eine sorgfältige Planung und Optimierung je nach Standort. Denn es ist keineswegs gesetzt, dass eine gleichmäßige Verteilung des Erzeugungsprofils 50:50 oder die installierte Leistung der verschiedenen Technologien identisch sein muss. Diese Relationen können auch voneinander abweichen.
Eine Studie hat dies an drei Vergleichsstandorten für Wind- und Sonnenkapazität in Portugal anschaulich dargestellt. Die Relationen von Wind- und Solarenergie können sich von Ort zu Ort zwar stark unterscheiden, aber die Korrelationen sind sowohl auf Tages- als auch auf Jahressicht sehr gering oder sogar negativ. Je größer jedoch die Komplementarität, desto größer das Hybridisierungspotenzial.¹
Hierzu ein hypothetisches, aber praxisnahes Beispiel: ein Photovoltaik-Kraftwerk nordöstlich von Berlin mit einer maximalen Leistung von 130 Megawatt (peak). Der Projektentwickler hatte eine mehr als 20 Kilometer lange Kabeltrasse planen, genehmigen und bauen lassen, um den erzeugten Strom zum Netzanschlusspunkt zu transportieren. Doch vor allem nachts wird diese Infrastruktur praktisch nicht genutzt. Durch den Bau eines Windparks mit fünf Turbinen und einer Nennleistung von 30 Megawatt in der Nähe kann der Netzanschluss nun wesentlich besser und effizienter genutzt werden. Erforderlich war lediglich der Zubau von knapp einem Kilometer zusätzlichem Kabel.
Ergänzung von Bestandsanlagen versus Neuplanung von Hybridanlagen
Die Hybridisierung kann einerseits durch die nachträgliche Ergänzung einer bestehenden Windenergieanlage durch eine Photovoltaikanlage oder umgekehrt durchgeführt werden. Andererseits kann eine Hybridanlage auch von vornherein als solche am Reißbrett geplant und entwickelt werden.
Der derzeit gängige Praxisfall besteht darin, bestehende Anlagen nachträglich zu hybridisieren. Das liegt insbesondere daran, dass in vielen Regionen die Netzkapazitäten begrenzt sind und es daher immer weniger Möglichkeit gibt, anders als auf diese Weise zusätzliche erneuerbare Energiekapazitäten zu schaffen. Zudem ist es derzeit auch praktisch sinnvoller, da eine Windentwicklung wesentlich länger als eine Photovoltaik-Entwicklung dauert und ansonsten der Entwicklungszeitplan durch das Windprojekt bestimmt wird und somit erste Kapitalrückflüsse erst wesentlich später kämen. Die Hybridisierung bietet hierbei eine Möglichkeit, weitere erneuerbare Energiequellen zu nutzen, ohne das Netz umfassend ausbauen zu müssen. Somit kann die Nutzung des bereits vorhandenen Netzanschlusses optimiert und die Rentabilität des Gesamt-Ensembles gesteigert werden.
Das ist besonders relevant, wenn Netzkapazitäten insgesamt knapp sind, ein bereits bestehender Netzanschluss wegen schwankender Stromerzeugung aber nicht optimal genutzt werden kann. Zukünftig ist jedoch zu erwarten, dass auch bei der Planung neuer Anlagen vermehrt auf Hybridisierung geachtet wird, um die Netzinfrastruktur von vornherein effizienter zu nutzen.